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Die Venusphänomene im Tages- und Jahreslauf

BISTERBOSCH, LIESBETH: Die Venusphänomene im Tages- und Jahreslauf. Eine neue Sonnenastronomie.
In: JUPITER, Vol. 2 (2007), ISSN 1661-8750 Verlag am Goetheanum, Dornach/Switzerland

Einführung

Im so genannten Landwirtschaftlichen Kurs von 1924 [17] bezeichnete RUDOLF STEINER Saturn, Jupiter und Mars als «sonnenferne» Planeten und Mond, Merkur und Venus als «erdennahe» Planeten. Er nahm dabei Bezug auf die sieben griechischen Planetensphären, in deren Zentrum die Erde ist, und auf das ptolemäische System.

Die sonnenfernen Planeten wirken auf alles das, was unter der Oberfläche der Erde ist; was im Innern der Erde geschieht, wirkt auf das Pflanzenwachstum so, wie unser Kopf auf unseren Organismus. Dagegen entspricht das, was über der Erde ist: Luft, Wasserdünste und Wärme, dem «Bauch» der «landwirtschaftlichen Individualität». «Die Pflanzen wachsen in den Bauch der Landwirtschaft herauf.» [17, S. 45]. Die erdennahen Planeten Mond, Merkur und Venus entfalten ihre Wirksamkeit auf alles dasjenige, was über der Erde ist.

Die Begriffe «sonnenfern» und «erdennah» sollte man nicht streng räumlich auffassen. Merkur und Venus können z.B. hinter der Sonne stehen, d.h. weiter entfernt von der Erde sein als Mars. ELISABETH VREEDE (1879 – 1943), die als Leiterin der Mathe- matisch-Astronomischen Sektion am Landwirtschaftlichen Kurs (LWK) teilgenommen hatte, benutzte stattdessen die Begriffe «obere» und «untere Planeten».

Elisabeth Vreede hatte sich intensiv mit den Angaben Steiners auseinandergesetzt und initiierte 1929 — in Anknüpfung an den Kalender 1912/13 von Rudolf Steiner — für die Landwirte einen astronomischen Kalender. In der ersten Ausgabe schrieb sie: «Der Kalender» ist, «wie aus seinem Inhalt hervorgeht, besonders für Landwirte gedacht. Aus den Bedürfnissen der Arbeitsgemeinschaft anthroposophischer Landwirte ist er entstanden.» [19, S. 1] Die Kalender sollten eine Ermunterung zu eigenständigem Beobachten sein, so dass der Landwirt sich mit der Sternenwelt in unmittelbarer, lebendiger Art verbinden konnte. Es wurde der Weg der Sonne durch die Sternbilder, statt durch die alt- hergebrachten Tierkreiszeichen verfolgt. In den Kalendern wurden neben astronomischen und historischen Fakten auch Artikel von Bauern und Naturwissenschaftlern veröffentlicht. [19]

Der Kalender 1934/35 war dem Planeten Venus und dem Vier-Jahres-Zyklus in der Natur gewidmet. In ihm erschienen zwei grundlegende Artikel über die Venus von JOACHIM SCHULTZ [12] und HERMANN VON BARAVALLE [1].

Das Jahr 1935 war ein herausragendes Venusjahr. Im April, Mai und Juni war Venus ein prächtiger Abendplanet. Zu Michaeli stand sie schon anderthalb Stunden vor Sonnen- aufgang am Osthorizont. Und: «Venus bietet in ihrer Strahlenpracht an einem klaren, tiefdunklen Oktober- oder Novembermorgen ein äusserst eindrucksvolles Bild, das selten in dieser Schönheit zu sehen ist.» [21, S. 34] Heute, 72 Jahre später, in einem ähnlich schönen Venusjahr wie 1935, können wir die damalige Erforschung der Venus für die Astronomie, für die Landwirtschaft und für andere Arbeitsgebiete als Anregung nehmen und uns fragen, wie die Hinweise Rudolf Steiners in den kommenden Jahrzehnten weitergehend bearbeitet werden können.

Im vorliegenden Artikel wird gezeigt, dass die Venusforschung bis dato durch ein räumliches Vorstellen geprägt war. Das Betrachten des zeitlichen Geschehens an einem bestimmten Ort und das Betrachten der Verwandlung der Lichtphänomene im Tages- und Jahreslauf ermöglichen uns eine lebendige Erkenntnis der Planetenqualitäten sowie ein klareres Verständnis der Angaben Steiners.

Das verschiedene Verhalten der Planeten zur Sonne

Elisabeth Vreede wies öfter auf den wesentlichen Unterschied zwischen den oberen Planeten Saturn, Jupiter und Mars und den unteren Planeten Merkur und Venus hin [23, 6.-8. Rundschreiben, Feb.-Apr. 1928]. Für sie war wichtig, was Steiner im Dritten Naturwissenschaftlichen Kurs [16] betont hatte: Das Hauptmerkmal des ptolemaïschen Systems sei es, dass die zwei Gruppen von Planeten ein verschiedenes Verhalten zur Sonne haben. Und: Die Ptolemäer bezögen dasjenige, was sie in ihrem mathematischen Weltbild ausdrückten, auf den Menschen. Dazu sagte Steiner: «Es wurden zusammengebracht Jupiter, Saturn und Mars mit der Gestaltung alles desjenigen, was über dem Herzen gelegen ist, Venus und Merkur mit demjenigen, was unter dem Herzen gelegen ist im Menschen.» [16, S. 244]. Hier wurde also der Zusammenhang zwischen der kosmischen Dreigliede- rung (Sonne, obere und untere Planeten) und der Dreigliederung der menschlichen Gestalt aufgezeigt. Steiner spricht über ein Erfühlen dessen, was in den Sternen lebt, und bezieht dies auf die Blütezeit der ägyptisch-chaldäischen Zeit. In jener Zeit fühlte der Mensch in seinem Herzen die Wirkungen der Sonne; das war reale Erfahrung, und aus dieser realen Erfahrung im ganzen Menschen wurde das alte heliozentrische System herausgebildet. Das spätere geozentrische Weltbild des Griechen PTOLEMÄUS, der in Alexandrien in Ägypten lebte, hatte, wie Steiner sagte, mit seiner einfachen Sonnenbahn und den komplizierten Planetenbahnen «noch etwas ...vom alten Fühlen. ...Die Sonne äussert ihre Wirkung in verhältnismässig einfacher Weise durch das Herz; der Jupiter geht einem schon wie ein Rad im Kopf herum . . . und in einem anderen Sinn . . . geht wiederum die Venus unter dem Herzen durch.» [16, S. 247]

Das griechische geozentrische Weltbild

Ptolemäus folgte den Überzeugungen des Naturphilosophen ARISTOTELES (384–322 v. Chr.): Es gibt einen prinzipiellen Gegensatz zwischen dem Himmel und der Erde. Sterne und Planeten kreisen, im irdischen Reich herrschen die Gesetze von Entstehen – Ver- ändern – Zugrundegehen. Die schwere Erde, der Mittelpunkt der Welt, kann wegen des prinzipiellen Gegensatzes von kreisenden Himmelslichtern und irdischer Veränderlichkeit selbst nicht kreisen. [3]

Ptolemäus schrieb etwa 150 n. Chr. die Mathematike Syntaxis (Mathematische Zusammenfassung), heute Almagest (Das Grösste) genannt [11]. Dieses Werk war über 14 Jahrhunderte hinweg das einschlägige Handbuch für Astronomen. Es enthält die mathematisch unterlegte Theorie, dass ein Planet auf einem grossen Kreis durch den Tierkreis zieht und gleichzeitig auch einen eigenen kleinen Kreis durchläuft. Entscheidend war, dass Venus und Merkur sich dabei ganz anders zur Sonne verhalten als Saturn, Jupiter und Mars.

Abbildung 1: Das «dreigliedrige Weltbild» von Ptolemäus.
Um die Erde (dunkelgrün) erstrecken sich Mondsphäre (violett), Merkursphäre (gelb), Venussphäre (grün), Sonnensphäre (weiss und gold), Marssphäre (rot), Jupitersphäre (orange) und Saturnsphäre (blau).

Obwohl die Erde im Mittelpunkt steht, nimmt die Sonne die zentrale Position ein. Venus und Merkur befinden sich immer in der Nähe der Sonne und folgen ihr auf ihrem jährlichen Gang durch den Tierkreis. Innerhalb dieser Beschränkung gibt es vielerlei Variationen, was sich durch die kleinen Kreise erklären lässt. Dagegen können Saturn, Jupiter und Mars sowohl im selben Tierkreisbild stehen wie die Sonne (siehe Saturn), als auch im gegenüberstehenden (Mars), oder irgendwo anders (Jupiter). Die kleinen Krei- sen von Saturn und Jupiter zeigen, wie sie sich im Jahreslauf zur Sonne verhalten. Sie bewegen sich subtil mit dem jährlichen Sonnengang mit.

Bei regelmässiger Betrachtung des Himmels über mehrere Jahre hinweg, erweist sich das ptolemäische Weltbild geradezu als genial. Der Beobachter bekommt nämlich ein ganz anderes Verhältnis zu den unteren Planeten als zu den oberen. Die Dämmerungs- planeten Merkur und Venus erscheinen meistens in der Abendglut oder Morgenröte, sie sind immer in der Nähe der Sonne. Dagegen können Saturn, Jupiter und Mars um Mitternacht hoch im Süden zwischen den funkelnden Sternen intensiv aufleuchten. Sie zeigen in ihren Bewegungen mehr die voraussagbaren «Sterneigenschaften», während Merkur und Venus mehr auf die «irdische Veränderlichkeit» hinweisen. Die beiden Gruppen von Planeten bewegen sich komplizierter als die Sonne. Die Bewegungen der oberen Planeten stehen in einem ganz anderen Zusammenhang mit der jährlichen Sonnenbewegung als diejenigen der unteren [3].

«Polarische» Gegensätze
zwischen den oberen und den unteren Planeten

Steiner verglich die Schleifenbildung bei Merkur und Venus mit derjenigen der oberen Planeten und nannte sie «wirklich polarische Gegensätze». Merkur und Venus beschrei- ben eine Schleife, wenn sie «sich zwischen die Erde und die Sonne stellen, wenn also gewissermassen dasjenige, was die Sonne für den Menschen ist, durch sie verstärkt wird». Sie sind wirksam «durch dasjenige, was nun nicht die Schleife ist, was gerade der Schleife entgegengesetzt ist, also durch den übrigen Teil der Bahn» [16, S. 221f]. Dagegen treten die Schleifen der oberen Planeten auf, wenn sie in Opposition zur Sonne stehen, dann entwickeln ihre Schleifen «eine ganz besondere Wirksamkeit», sind sie «wenig von der Sonne beeinflusst».

Ausdrücke wie «polarisch entgegengesetzt» und «polarischer Gegensatz» werden durch Steiner öfter verwendet. Erkenntnisse über die polarischen Gegensätze zwischen dem Oberen und dem Unteren liegen seinen späteren praktischen Angaben über die Heil- und Nahrungspflanzen (Kiesel- und Kalkprozesse) und den beiden Spritzpräparaten zu- grunde. Man könnte sagen, dass sich bei den Pflanzen «das Obere», die sortenspezifisch gestaltenden Prozesse, und «das Untere», die Stoffwechselprozesse, durchdringen.

Im Kalender 1934/35 haben Joachim Schultz [12] und Hermann von Baravalle [1] ihre Ansichten über das Verhalten von Venus zur Sonne dargestellt. Bemerkenswert ist, wie unterschiedlich sie diese Frage bearbeitet haben. Beide haben auch die auffallenden Gegensätze zwischen den zwei Gruppen von Planeten aufgezeigt. Darauf wollen wir hier aber nicht weiter eingehen.

Das Verhalten der Venus zur Sonne bei Hermann von Baravalle

Der Pädagoge Hermann von Baravalle (1898–1973), ab 1921 Lehrer an der Waldorfschule in Stuttgart, verzeichnete viele Jahre hindurch die Lage der Venus zur Sonne am ersten

Tag eines Monats. Der Abstand zwischen den Punkten variiert, und in den Monaten, in denen Venus den Abendhimmel verlässt und Morgenplanet wird, ist er sehr gross. Von Baravalle zog zwischen den von ihm erhaltenen Punkten eine Verbindungslinie, die einen graziös gebogenen Linienzug ergab. Seine Zeichnungen des jährlichen Auf- und Absteigens der Sonne (die so genannte Sonnenlemniskate) mit den jeweiligen Venusstellungen zeigen noch eindrucksvoller, wie Venus sich im Jahreslauf zur Sonne verhält. Sein Anliegen war es, «an die unmittelbare Erscheinungswelt heranzukommen.» Die Linien sind «ein Stück Natur selbst, von keiner Theorie oder Weltanschauung beeinflusst und sollen damit dem Erkenntnisziele nach einer lebendigen Beziehung des menschlichen Bewusstseins zur Natur dienen» [1, S. 48].

Abbildung 2: Gesamt-Bewegungs-Erscheinungen der Venus im Jahre 1934.
«Die Bewegung der Venus geht im ersten Vierteljahre fast geradlinig von links nach rechts, hebt sich dann im steilen Aufstieg nach oben, nimmt in den Sommermonaten eine Höchststellung ein und sinkt dann im Herbste in tiefere Lagen hinab.» [1, S. 47]

1930 gab er zum Selbststudium und für den Unterricht ein Buch mit dem Titel Ein- führung in die Erscheinungen am Sternenhimmel heraus, das 1937 mit Erweiterungen neu aufgelegt wurde; die vierte und letzte Auflage erschien 1962 [2]. Er stellte in diesem Buch dar, wie die Stellungen der Venus zur Sonne sich ändern: «Das regelmässige Heben und Senken, das die Sonne im Jahreslauf ausführt, wird von der Venus in mannigfaltiger Weise teils verstärkt, teils abgeschwächt; ihr Frühlingsanstieg wird zuweilen durch ein Wiederzurücksinken zu tieferen Bewegungskreisen unterbrochen oder der Herbstabfall durch einen Nach-Sommer-Anstieg» [2, S. 113].

Wichtig waren ihm die Unterschiede zwischen den einzelnen Jahren: «Nebst allen übrigen Unterschieden lässt sich z.B. auch feststellen, dass es Jahre gibt, in denen die Venus viel länger in hohen Sommerstellungen bleibt, in denen gleichsam der Venussommer gegenüber dem Venuswinter überwiegt, und andere Jahre, in denen eine Art mittlerer Lage eintritt und auch solche, in denen wieder die tieferen Winterstellungen überwiegen» [2, S. 113]. Nach Ablauf von acht Jahren, also mit dem neunten Jahr, kehrt eine Form wieder, die einen ähnlichen Verlauf zeigt wie das Bild des ersten Jahres. «Dabei sind auch hier die Bilder nicht einfache Wiederholungen, sondern weisen in ihren Einzelheiten fortlaufend Veränderungen auf.» [2, S. 115]

Seine Zeichnungen regen unsere Phantasie an und sind eine gute Hilfe zum Einleben in den achtjährigen Venusrhythmus. Mit Hilfe graphischer Computerprogramme können die Zeichnungen und Himmelsbeschreibungen mit heutigen Phänomenen verglichen und so lebhaft nachempfunden werden.

In der heutigen anthroposophischen Literatur sind seine schwungvollen Zeichnungen nicht mehr zu finden.

Abbildung 3: Bewegungsbilder der Venus im Jahre 1935 und im Jahre 1936
[3, S. 111 und S. 115].
Abbildung 4: Sonnenlemniskate und Bewegungsbilder der Venus im Jahre 1935 und im Jahre 1936 [3, S. 111 und S. 115].

Das Verhalten der Venus zur Sonne bei Joachim Schultz

Joachim Schultz (1902–1953), ab 1930 Mitarbeiter der Mathematisch-Astronomischen Sektion am Goetheanum, bearbeitete Venus auf eine Art, die an ptolemaisch-räumliches Vorstellen anschloss. Er trug in einem kreisförmigen Tierkreis, mit der Erde in der Mitte, die Position der Venus bei den oberen Konjunktionen mit der Sonne ein. (Venus wird bei einer oberen Konjunktion vom Morgen- zum Abendplanet.) In einem Zeitraum von acht Jahren ergaben sich jeweils fünf Konjunktionsstellen, die sich durch ein Pentagramm miteinander verbinden liessen.

Das Gleiche machte er für die fünf unteren Konjunktionsstellen. (Venus wird bei einer unteren Konjunktion vom Abend- zum Morgenplanet.) Durch den Vergleich der beiden Fünfeckformen konnte er aufzeigen, dass Venus bei einer oberen Konjunktion mit der Sonne (fast) beim selben Stern steht wie vier Jahre später bei einer unteren Konjunktion.

Ein Beispiel: Am 21. November 1926 stand Venus in oberer Konjunktion im Skorpion, am 22. November 1930 in unterer und am 18. November 1934 wieder in oberer Konjunktion. Alle vier Jahre kommt es im selben Tierkreisbild also abwechselnd zu einer oberen und zu einer unteren Konjunktion [12].

Abbildung 5: Das Venuspentagramm.
«Die fünf Begegnungsstellen von Venus und Sonne» fallen «sowohl bei den oberen wie den unteren Konjunktionen auf dieselben Tierkreisstellen.» [12, S. 7]

Das Pentagramm hat eine ästhetisch ansprechende Form. Es steht in einer besonders engen Beziehung zum Goldenen Schnitt. Die Streckenverhältnisse im Goldenen Schnitt werden in der Kunst und Architektur oft als ideale Proportion angesehen. Schultz ging jedoch darüber hinaus, ihm waren die Gesetzmässigkeiten wichtig. Das Suchen nach dem in den Venusbewegungen waltenden Gesetz kommt auch in seinen Abbildungen der Venusstellungen im Tierkreis zur Zeit der grössten Elongationen (Winkelabstand zur Sonne) und des grössten Glanzes und später in den Abbildungen der Venusrose (1948) und des Venus-Achtzacksternes (1952) zum Ausdruck [13, 14].

Die synodische Umlaufzeit der Venus (etwa 1 Jahr und 7 Monate) gliederte er in Zeitintervalle von approximativ 36 Tagen ein. Das «Venusjahr» enthält 16 solcher 36 Tages-Einheiten. Diese zahlenmässige Ordnung und das Faktum, dass die fünf Begegnungsstellen von Venus und Sonne sowohl bei den oberen wie bei den unteren Konjunktionen auf dieselben Tierkreisstellen fallen, waren ihm Grundlage für seine Theorie über den vierjährigen Atmungsrhythmus der so genannten Venussphäre [12].

Abbildung 6: «Bei Venus erfolgen in achtjähriger Wiederkehr die fünf Schleifen fast in gleicher Lage und Gestalt.» [12, S.10]

Planetensphäre — ein griechisches Wort

Das Wort «Planetensphäre» ist griechischen Ursprungs. «Sphaira» bedeutet Ball, Kugel. Ptolemäus schrieb über die Ordnung der Sphären der Sonne, des Mondes und der fünf Planeten. Sie haben bei ihm die Reihenfolge: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn. Er gab keine räumliche Definition der Sphäre. Ptolemäus erwähnte, dass es auch eine andere Reihenfolge mit Venus und Merkur oberhalb der Sonne gab [11, 9.1]. Für PYTHAGORAS (580–550 v. Chr.), EUDOXUS und PLATO war die Reihenfolge: Mond, Sonne, Venus, Merkur, Mars, Jupiter und Saturn [10, S. 23].

Vreede schrieb in mehreren Zusammenhängen über die Planetensphären. In [23, S. 23] beschrieb sie die Planetensphäre als ein ätherisches Gebilde, in dem astrale Kräfte wirken. Der Planet selber bewegt sich nur an der Peripherie seiner eigenen Sphäre.

Schultz entwickelte eine detaillierte Theorie über die Grösse und die Wirkung der Planetensphäre: Sie umschliesst die Erde und durchdringt sie, sie ist im Kosmos durch die Bahn des Planeten begrenzt. Zu jedem Planeten gehört eine ätherische Kräftesphäre. «Nähert sich ein Planet der Erde, so trägt er die Kräftewirksamkeit seiner Sphäre [...] verstärkt an die Erde heran.» [12, S. 11]

Der vierjährige Schädlings-Bekämpfungsrhythmus
als Venusrhythmus?

Das Venuspentagramm war an sich nichts neues, es wurde bereits in populären Büchern dargestellt [22, S. 50]. Für Schultz war die Kombination der Fünfeckform der oberen Konjunktionen und diejenige der unteren Konjunktionen jedoch der gesuchte Schlüssel zum Begreifen der kosmischen vierjährigen Periode [17, Sechster Vortrag vom 14. 6. 1924]. Er wollte «tiefere Einblicke in das Naturgeschehen auf der Erde vermitteln. Rudolf Steiner hat öfters betont, dass viele Vorgänge der Natur sich in einem vierjährigen Zyklus abspielen, in dem kosmische Wirkungen auf die Erde zum Ausdruck kommen.» [12, S. 10-11]

Der von Steiner genannte Zyklus von vier Jahren bei der Unkraut-, Rübennematoden- und Insektenbekämpfung [12, S. 156, S. 162 und S. 163] wird von Schultz mit dem Wechsel zwischen einer oberen und unteren Konjunktion des Planeten Venus in der Nähe eines bestimmten Sterns in Zusammenhang gebracht. «Für den dabei sich abspielenden Kräfte- kreislauf heisst das nun, dass dieselben Kräfte, die bei einer oberen Konjunktion ausgeat- met sind und durch die gegebene Konstellation im Tierkreis mit der Wirksamkeit dieser bestimmten Weltenrichtung in Beziehung treten, nach Ablauf von vier Jahren unter der Einstrahlung des gleichen Sternbildes als ganz von der Venussphäre eingeatmete Kräfte sich geltend machen. So dass zur vollen Entfaltung im Bereich der Erde kommt, was vier Jahre früher im Kosmos als Kräftewirkung veranlagt wurde.» [12, S. 12]

Die Begriffe Kräftekreislauf, Aus- und Einatmung, Einstrahlung und Kräftewirkung sind erwähnenswert, da Steiner solche physikalischen Begriffe nicht verwendete. Er deu- tete mehr im Allgemeinen an, «dass Kosmisches hineinkommt in die Erde, dasjenige Kos- mische, das sich sonst bloss im Umkreis der Erde geltend machen sollte. Diese Wirkungen sind eigentlich vierjährig» [17, S. 162]. Bemerkenswert ist, dass Steiner für die Unkraut- Rübennematoden- und Insektenbekämpfung nicht explizit auf Venus hingewiesen hat, sondern nur für die Bekämpfung der Mäuse und anderer warmblütiger Schädlinge.

Venus im Skorpion

Für die Bekämpfung der Mäuse hat Steiner den folgenden Hinweis gegeben: «Wir ver- schaffen uns zur Zeit des Stehens der Venus im Zeichen des Skorpions diesen Mäusebalg und verbrennen da diesen Mäusebalg.» [17, Sechster Vortrag vom 14. 6. 1924, S. 159]. Er erklärte, dass für die Reproduktion im Tierreich die Mondenwirkung von der Venus- wirkung unterstützt werden muss [17, S. 159]. Warum Venus im Skorpion zu stehen hat, wird nicht besprochen. Vreede sagte 1927 dazu: «Die Bekämpfung hat zu geschehen, wenn die Venus im Skorpion steht, was schon hinweist auf die Fortpflanzung sowie auf die Tötung.» [18]

Steiners astronomische Angaben sind recht knapp und ausserdem undeutlich. Die Aussage «Hochkonjunktion von Venus und Skorpion» [17, S. 160] ist kein geläufiger astronomischer oder astrologischer Ausdruck. (In der 2. bis 4. Auflage des LWK stand statt «Hochkonjunktion» das Wort «Hochkonjunktur».) Während der Fragenbeantwor- tung am selben Tag ergänzte Steiner, dass «Venus am Himmel zu sehen ist, und hinter ihr das Sternbild des Skorpion. Die Venus muss hinter der Sonne stehen.» [17, S. 175] Hier taucht für einen Astronomen ein Problem auf: Wenn Venus hinter der Sonne steht, also in obere Konjunktion tritt, ist sie ja für uns unsichtbar.

Eine Angabe wie «Venus am Himmel zu sehen ist» gibt es in babylonischen Vor- aussagen [24], jedoch nicht in der heutigen Tierkreisastrologie.

Da wird also nicht mathematisch exakt geschaut nach dem (mit einer bestimmten Methode) berechneten Konjunktionstag, einer Opposition, einem Trigon oder z.B. dem Eintritt in ein Tierkreisbild.

So ist auch der Hinweis für die Anlage von Nadelholzwäldern «in einer Aufgangsperiode des Saturn» [17, S. 41] nicht klar räumlich definiert und auch als Zeitangabe lässt er sich ebenfalls nicht eindeutig bestimmen. Im LWK gibt es auffällig wenig Angaben über bestimmte Himmelspositionen der Planeten, alle Hinweise sind auf mehrfache Art zu interpretieren.

Das Tierkreiszeichen Skorpion oder das Sternbild Skorpion?

Steiner hat in seinen Notizen zum LWK [17, Notizen S. 36] dasselbe angegeben wie im Vortrag: Venus im Zeichen des Skorpions. Aber bei der Fragenbeantwortung am selben Tag sprach er über Venus im Sternbild des Skorpion (S. 175). Das ist eine andere zeitliche Angabe als Venus im Tierkreiszeichen Skorpion.

Bei der nächsten Fragenbeantwortung am 16. Juni 1924 antwortete Vreede auf eine Frage über die Verbrennnungspräparate: «Die genauen Angaben können hier nicht gemacht werden. Hierzu sind noch Berechnungen notwendig. [. . . ] Für die Feldmausvertilgung würde in diesem Jahre [1924] — die Perioden verschieben sich von Jahr zu Jahr — die Zeit von zweite Hälfte November bis erste Hälfte Dezember in Frage kommen». Anschliessend sagte Steiner: «Die Prinzipien des anthroposophischen Kalenders, wie er dazumal veranlagt war, müssten genauer ausgeführt werden, dann könnte man sich nach solchen Kalendern ganz genau richten» [17, S. 218].

Ein Astronom kann vieles zurückverfolgen: Venus erschien 1924 in dem genannten Monat als Morgenplanet (Elongation 37â—¦ − 31â—¦) in den Sternbildern Jungfrau und Waa- ge. Sie befand sich erst von etwa 22. Dezember 1924 bis 10. Januar 1925 im Sternbild Skorpion.

Um im Tierkreiszeichen Skorpion zu stehen, braucht Venus eine ekliptikale Länge von 210â—¦ −240â—¦. Die erreichte sie von etwa 26. November bis 21. Dezember 1924. Hieraus kann man schliessen, dass Vreede im LWK für die Feldmausvertilgung jene Periode angegeben hat, in der Venus im Tierkreiszeichen Skorpion stand. Bemerkenswert ist, dass ihre späteren Angaben sich konsequent auf Venus im Sternbild Skorpion bezogen.

Vreedes Kalenderangaben

Elisabeth Vreede gab in (fast) acht aufeinander folgenden Kalendern (Ostern 1929 bis Ostern 1937) die jeweils günstigste Zeit zur Bekämpfung der warmblütigen tierischen Schädlinge (Mäuse) an. Venus sollte zwischen den Sternen des Skorpions stehen, also nicht im Zeichen des Skorpions (wie 1924). Ausserdem durfte Venus nicht vor der Sonne stehen. Die Periode von etwa zwei Wochen vor der unteren Konjunktion bis etwa zwei Wochen danach war keine günstige Zeit. Diese Zeit fällt in die Periode von sechs Wochen, in welcher sie eine so genannte rückläufige Bewegung macht, d.h. eine Schleife beschreibt. So entsteht der Eindruck, dass sie Steiners Angabe «die Venus muss hinter der Sonne stehen» interpretierte als «Venus darf nicht (fast) genau vor der Sonne stehen.»

Venus brauchte nicht unbedingt Abendplanet zu sein. Auch in den Jahren, in denen sie als Morgenplanet im Skorpion war und nicht gerade vor der Sonne stand, wurde die Zeit als günstig für die Bekämpfung der warmblütigen tierischen Schädlinge angegeben.

In den Kalendern wird leider nicht besprochen, wie sie jeweils die günstigste Zeit bestimmte. Es existieren unpublizierte Vorträge von ihr für Landwirte, in denen sie sich bemüht, die astronomischen Angaben Steiners zu beleuchten und anhand von Themen aus seinen Vorträgen zu besprechen [18, 20]. «Die unteren Planeten sind in diesen Zeiten der Rückläufigkeit gerade nicht besonders wirksam, und man wird vielleicht für die Mäuseverbrennung am besten die Zeit möglichst weit von der Konjunktion entfernt nehmen.» [20]

Da die Verfasserin öfter gehört hat, dass Steiners «Hochkonjunktion von Venus und Skorpion» als obere Konjunktion von Venus interpretiert wird, sei hier gesagt, dass Vreede dies nicht so auffasste. Sie sagte, dass mit der «Hochkonjunktion von Venus und Skorpion» wohl die Mitte der Periode ungefähr gemeint sei. [18]

Die Venusrose
und
die die Reproduktion hervorbringende Venuswirkung

Schultz übernahm mit dem Jahrgang 1948 die verantwortliche Herausgabe des «Sternkalenders» [13]. (Ab 1942 erschien der astronomische Kalender unter diesem Namen.) Die Figur des ersten Titelblattes zeigt die so genannte Venusrose: das harmonische Bild der geozentrischen Bahn der Venus im Tierkreis während fünf synodischer Umläufe, d.h. in acht Jahren.

Schultz starb 1953. Sein nahezu druckfertiges Manuskript konnte dank der Arbeit von Suso Vetter 1963 herausgegeben werden; es erhielt den Titel Rhythmen der Sterne [15]. Die Tafel X in diesem Buch mit der Venusrose wird in anthroposophischen Zusammenhängen oft dargestellt. Ihre harmonischen Formen erscheinen wie eine Bestätigung der Vorstellung von Venus als einer schönen Liebesgöttin. Ob es die Verhältnisse des Goldenen Schnitts des in ihr enthaltenen Pentagramms sind oder der in Form geronnene bewegliche Gang von Venus zwischen Erde und Tierkreis — die Venusrose ist von reizvoller Schönheit.

Abbildung 7: Die Venusrose

Schultz hatte vor 1935 die Venuspentagrammform im Hinblick auf die Frage nach der die Reproduktion hervorbringenden Venuswirkung und dem vierjährigen Rhythmus gezeichnet. Es sieht so aus, als ob diese Frage später nicht mehr sein Thema war. Heute kann sich jeder fragen, ob die zu starke Reproduktion bei Unkräutern und Feldmäusen und die Venusrose einen inneren Zusammenhang haben.

Die Venusrose als Darstellung der Venusbahn zwischen Tierkreis und Erde ist eine grosse Abstraktion. Die Phänomene, die für Baravalle wichtig waren, die bunte Erschei- nungswelt mit ihren variierenden monatlichen und jährlichen Änderungen, sind in der Venusrose nicht wiederzufinden. Für die Verfasserin stellt sich die Frage, ob Baravalles Venus, die sich kapriziös um die Sonne bewegt, doch zu tieferen Erkenntnissen des vierjährigen Zyklus in der Natur führen kann als die graziöse geozentrische Venus.

Die topozentrische (örtliche) und die geozentrische Venus

Wenn man den Planeten Venus zart am bläulichen Himmel aufleuchten sieht, kann man sich fragen, warum er denselben Name trägt wie die Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin Venus. Aber wenn sie in der rötlichen Abendglut oberhalb des westlichen Horizonts prangt oder am dunklen Firmament intensiv zwischen den Sternen aufleuchtet, mag man von diesem Bild tief berührt sein. Sie übertrifft in der Zeit ihres hellsten Glanzes alle Planeten an Leuchtkraft. Vor allem, wenn die Mondsichel in ihrer Nähe steht, oder wenn sie sich nah bei den Plejaden befindet, zieht sie die Aufmerksamkeit auf sich. Viele Menschen sind dann von der Schönheit des Anblicks ergriffen.

Für ihre Erscheinungsweise macht es einen recht grossen Unterschied, ob man in Deutschland wohnt, oder in grösserer bzw. geringerer Entfernung zum Äquator.

Ein Beispiel: Im Januar 2007 stand Venus in Helsinki bei Sonnenuntergang viel tiefer und südlicher als in Kassel. Im Mai dagegen ging sie in Helsinki viel nördlicher und auch später unter; erst fünf Stunden nach Sonnenuntergang (in Kassel: vier Stunden nach Sonnenuntergang).

Erinnern wir uns, wie prunk- und prachtvoll Venus im April und Mai 2007 am dunklen Abendhimmel leuchtete. Auch Anfang Juli war sie bei Sonnenuntergang hell und hoch am blauen Himmel. Aber von Abend zu Abend stand sie in diesem Monat bei Sonnenuntergang viel tiefer und wurde in Kassel etwa am 24. Juli unsichtbar. Innerhalb eines Monates stürzte sie regelrecht vom hohen Himmel zum Horizont hinunter [4]. Für die Menschen in Helsinki verschwand Venus jedoch schon etwa am 5. Juli vom Abend- himmel. Im hohen Norden hatte der Abendplanet also eine noch grössere Dynamik.

Abbildung 8: Venus am westlichen Himmel, etwa vierzig Minuten nach Sonnenuntergang, Standort Utrecht.
Der Ort der Venus ist für jeden zehnten Tag abgebildet (Januar bis Juli 2007).
© Wil Tirion
Nach: Sterrengids 2007, De Koepel, Utrecht.

Je grösser die Entfernung vom Äquator, desto bunter und weniger klar geordnet erscheint Venus als Abend- oder Morgenplanet. Ihre Sichtbarkeit wird dort stärker durch den Jahreslauf geprägt! Wenn es um die konkreten Lebenszusammenhänge geht, kann man nicht bei einer geozentrischen Venus stehen bleiben, sondern muss zur lokalen Venus «hinuntersteigen».

Eine phänomenologische Betrachtung beinhaltet jedoch mehr als nur Positionen, Sichtbarkeitsdauer und Dynamik. Das jährliche Heben und Sinken der Sonne unterschei- det sich, je nach Entfernung vom Äquator, in seinen Eigenschaften, und der Verlauf der Dämmerung ist ganz anders. Gerade an den Lichtqualitäten kann man stark erleben, wie unterschiedlich sich Venus z.B. in Helsinki und in Kassel zeigt. Das lässt sich jedoch schwerer benennen als die räumlichen Fakten und ist weniger klar vermittelbar.

Venus als unterer Planet

Das rasche Verschwinden der intensiv leuchtenden Venus vom Abendhimmel im Juli 2007 ist typisch für sie als unterer Planet. So etwas tritt bei einem oberen Planeten nie auf. Venus verschwindet in acht Jahren fünf Mal als Abendplanet, und jedesmal geschieht das mit einer ganz anderen Dynamik. Venus sorgt immer wieder für Variation und Überraschungen.

Im Juni 2007 konnte man auf Grund des Geschehens in den vorangegangenen Mo- naten nicht ahnen, dass Venus schon im nächsten Monat unsichtbar sein würde. Ihr Auftreten vorauszusagen ist oft sehr schwer; im Nachhinein lässt sich ihr «Sturz» vom hohen Himmel zum Horizont hinunter jedoch erklären.

• Im Juli stand die Sonne nicht mehr so lange am Himmel und in der Natur kündigte sich der Herbst mit ersten kleinen Zeichen an. Der Tierkreis stand bei Sonnenuntergang sehr viel tiefer als im Mai, als Venus bei Sonnenuntergang ihre höchste Position erreichte. Im Juni hatte sich das Sinken des Tierkreises leise angekündet, im Juli wurde es viel prägnanter [4].

• Im Juli und August nahm ihr Winkelabstand zu rSonne (die östliche Elongation) bis zur unteren Konjunktion immer schneller ab. Am 18. August 2007 — Venus stand vor der Sonne — war die tägliche Änderung am grössten.

• Venus überquerte im Juli die jährliche Sonnenbahn von Nord nach Süd, um in der Nähe vom Hauptstern des Löwen, Regulus, eine tief nach Süden ausgebauchte Schleife zu beschreiben (siehe Abb. 11 auf S. 76). Während sie vom 25. Juli bis 7. September westlich an den Sternen vorbeizog, war sie acht Grad, fast der maximale Abstand, unterhalb der Ekliptik.

Jede der drei Bewegungen führte zu einer Abnahme der Sichtbarkeit. Die drei Pro- zesse wirkten diesmal in hohem Masse zusammen, deshalb das extrem schnelle Ver- schwinden nach einer so guten Venussichtbarkeit im April und Mai.

Es ist typisch für die unteren Planeten, dass ihr Erscheinen von verschiedenen Pro- zessen — jeder mit seiner eigenen Dynamik — abhängt. So wie Venus heute und hier erscheint, ist immer etwas Einzigartiges. Morgen kann sich ihre Sichtbarkeit sehr verändert haben. Die Erscheinungsweise eines unteren Planeten hängt stark von Bedingungen ausserhalb seiner eigener Bewegung, d.h. der Lage des Tierkreises und der Jahreszeit, ab. Venus zeigt uns die Qualitäten ihrer Umgebung an!

Ihr buntes Erscheinen wird stark vom aktuellen Jahreslauf der Sonne geprägt, wie von Baravalle klar herausstellte. Ausserdem kündigt Venus als Abendplanet die kommenden (!) Änderungen im Jahreslauf mehr oder weniger subtil an: Der Sturz von Venus im Juli ist ein Vorbote des schnellen Absteigens der Sonne im August und September.

Von der Abstraktion zu einer lokalen Sonnenastronomie

Steiner wies darauf hin, dass die Menschheit sich gerade im astronomischen Bild von der äusseren Wirklichkeit losreisst. Die mathematischen Vorstellungen des ptolemaischen Systems waren ein wichtiges Mittel der menschlichen Erziehung. «Es ist die grosse Schule des Sich-Emanzipierens der menschlichen Vorstellung von der sinnlichen Wahrnehmung.» [16, S. 245 und S. 246] Wir können die geozentrische Venusrose als ein gutes Beispiel des mathematisch-abstrakten Denkvermögens ansehen.

Völlige Abstraktion ist eingetreten, aber «heute muss wiederum der Weg zurück gesucht werden, um vom ganzen Menschen aus wiederum eine Beziehung zum Kosmos herzustellen.» Es geht um eine Erneuerung des alten heliozentrischen Systems der Ägypter und Babylonier, bei dem der Mensch in seinem Herzen noch die Wirkungen der Sonne gefühlt hat, in seinem Kopf die Wirkungen von Jupiter, Saturn und Mars und in seinem Magen, seiner Leber und seiner Milz die Wirkung von Venus und Merkur.» [16, S. 246 und 247]

Es geht um den Weg, wo tief in die Wirklichkeit hineingegangen wird. «Dazu muss man aber allerdings nun auch dasjenige betrachten, was ja zusammenhängt mit Auf- und Untergang der Sonne, Sonnenwandel, Sternenwandel und so weiter: die besondere Artung und Gestaltung der Reiche der äusseren Natur.» [16, S. 248]

Die Verfasserin ist der Auffassung, dass die Aufgabe darin liegt, den Verwandlungs- zusammenhang und den Lebenszusammenhang [7, 8] bewusst zu erkennen und aufzuzeigen. Für einen Astronomen bedeutet das, die lokale Zeitgestalt selber kennenzulernen und den Menschen eine neue lokale Sonnenastronomie zu vermitteln. Das in der Zeit sich Abspielende muss zunächst am eigenen Zeitleib erlebt werden. Bei einer solchen zeitlich orientierten Sonnenastronomie geht es darum, den Reichtum der Phänomene im Tages- und Jahreslauf an einem bestimmten Ort zu verfolgen und die Dynamik des Geschehens qualitativ zu erforschen.

Ausblick

Der Vier-Jahres-Zyklus in der Natur war ein konkreter Anlass, sich mit den Venusrhythmen auseinanderzusetzen. 72 Jahre nach den astronomischen Berichten über Venus von Vreede, von Baravalle und Schultz gibt es dank der goetheanistischen und anthroposophischen Forschung von JOCHEN BOCKEMÜHL, GEORG MAIER, MANFRED VON MACKENSEN u.a. verschiedene Ansätze, um die Bewegungsdynamik der Planeten und die Verwandlung der Lichtphänomene im Tages- und Jahreslauf weitergehend kennenzulernen.

Auch dank der Arbeit von Menschen, welche die Anfänge der Astronomie in Babylonien erforscht haben [24] und der unterschiedlichen Venus-Erkenntnisse von ADAM BITTLESTON [5, 6], HEIDI KELLER-VON ASTEN [9] u.a. können die Venusqualitäten heute neu befragt werden.

Themen wie die Dreigliederung im Organismus, die «polarischen Gegensätze» im Menschen, bei den Pflanzen und das Zusammenspiel von Planeten als Bild der Integration von bestimmten Lebensprozessen, die für Kollegen anderer Sektionen wichtig sind, schliessen unmittelbar an. Eine klare Darstellung der Gesten der Planetenbewegungen und der Art und Weise, wie sie sich einander nähern, können Menschen, deren Bemühen es ist, Prozesse und die Dreigliederung zu erforschen, gute Anregungen geben.

Literaturverzeichnis

[1] BARAVALLE, HERMANN VON: Die Bewegungserscheinungen von Merkur und Venus.
In: MATHEMATISCH-ASTRONOMISCHE SEKTION AM GOETHEANUM (Herausgeber): Kalender. Ostern 1934 – Ostern 1935, Seiten 46–48. Dornach, 1934.

[2] BARAVALLE, HERMANN VON: Die Erscheinungen am Sternenhimmel.
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 4. Auflage, 1962.

[3] BISTERBOSCH, LIESBETH: Himmelkunde mit geschichtlichen Betrachtungen über Namen und Gestalten der Sternbilder. Materialien für den Himmelskundeunterricht der 7. Klasse.
Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen, Abteilung Kassel, Kassel, 2. Auflage, 2005.

[4] BISTERBOSCH,LIESBETH: Sternen- und Planetenkalender 2007.
Verlag Urachhaus, Stuttgart, 2006.

[5] BITTLESTON, ADAM: The spirit of the circling stars.
Christian Community Press, London, 1975.

[6] BITTLESTON, ADAM: The seven planets.
Floris Books, London, 1985.

[7] BOCKEMÜHL, JOCHEN: Lebenszusammenhänge.
Naturwissenschaftliche Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Dornach, 1980.
[8] BOCKEMÜHL, JOCHEN und KARI JÄRVINEN: Auf den Spuren der biologisch-dynamischen Präparatepflanzen. Lebensorgane bilden für die Kulturlandschaft.
Verlag am Goetheanum, Dornach, 2005.

[9] KELLER-VON ASTEN, HEIDI: Sterne schauen Dich an.
Verlag Walter Keller, 1981.

[10] MAULA, ERKKA: Studies in Eudoxus’ Homocentric Spheres.
Nummer 50 in Commentationes Humanarum Litterarum. Societas Scientiarum Fennica, 1974.
[11] PTOLEMY: The Almagest.
In: Great Books of the Western World. Encyclopedia Britannica, 1952.
[12] SCHULTZ, JOACHIM: Die Venusperioden und ihr vierjähriger kosmischer Atmungsrhythmus.
In: MATHEMATISCH-ASTRONOMISCHE SEKTION AM GOETHEANUM (Herausgeber): Ka- lender. Ostern 1934 – Ostern 1935, Seiten 3–13. Dornach, 1934.

[13] SCHULTZ, JOACHIM: Sternkalender 1948.
Bücherverkauf am Goetheanum, 1947.

[14] SCHULTZ, JOACHIM: Sternkalender 1952.
Bücherverkauf am Goetheanum, 1951.

[15] SCHULTZ, JOACHIM: Rhythmen der Sterne.
Verlag am Goetheanum, Dornach, 3. Auflage, 1985.

[16] STEINER, RUDOLF: Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschafltichen Gebiete zur Astronomie.
Rudolf Steiner Verlag, Dornach, 3. Auflage, 1997. GA 323.
[17] STEINER, RUDOLF: Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft.
Rudolf Steiner Verlag, Dornach, 8. Auflage, 1999. GA 327.
[18] VREEDE, ELISABETH: Auszug aus dem Vortrag zur landwirtschafltichen Tagung am 26. Februar 1927.
Elisabeth Vreede Archief, Antroposofische bibliotheek, Den Haag.
[19] VREEDE, ELISABETH: Zur Einleitung.
In: MATHEMATISCH-ASTRONOMISCHE SEKTION AM GOETHEANUM (Herausgeber): Kalender. Ostern 1929 – Ostern 1930, Seiten 1–3. Dornach.

[20] VREEDE, ELISABETH: Ueber Mond- und Planetenperioden.
Goetheanum Archiv, 1929.

[21] VREEDE, ELISABETH: Kalender.
In: MATHEMATISCH-ASTRONOMISCHE SEKTION AM GOETHEANUM (Herausgeber): Kalender. Ostern 1934 – Ostern 1935, Seiten 20–45. Dornach, 1934.
[22] VREEDE, ELISABETH:Über die Aufgangsperioden der Planeten als Zeiten besonderer Wirksamkeit.
In: MATHEMATISCH-ASTRONOMISCHE SEKTION AM GOETHEANUM (Herausgeber): Kalender. Ostern 1935 – Ostern 1936, Seiten 46–50. Dornach, 1935.

[23] VREEDE, ELISABETH: Astronomie und Anthroposophie.
Verlag am Goetheanum, Dornach, 2. Auflage, 1980.

[24] WAERDEN, BARTEL LEENDERT VAN DER: Die Anfänge der Astronomie. Erwachende Wissenschaft II.
Birkhäuser Verlag, Basel, 2. Auflage, 1980.
[25] ZIEGLER, RENATUS: Biographien und Bibliographien. Mitarbeiter und Mitwirkende der Mathematisch-Astronomischen Sektion am Goetheanum,
Band 24 der Reihe Mathematisch- Astronomische Blätter.
Verlag am Goetheanum, Dornach, 2001.

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Erhalten: September 2007

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