2012 Maria Thun und ihre Quellen
VON LIESBETH BISTERBOSCH
"Grundlagen zum Verhältnis Kosmos und Elemente und ihre Wirkung auf die Pflanzen."
In den letzten Monaten wurde mehrmals behauptet, Maria Thun hätte alte Sternenweisheit erneuert. Es gibt viele alte Kosmologien. Welche hat sie erneuert?
Gehen wir einigen der Quellen nach, die sie verwendet hat. Im "Sternkalender 1974/1975" beschrieb sie, wie sie ein Vortrag von Guenther Wachsmuth über die ätherischen Bildekräfte im Verhältnis zum Tierkreis angeregt habe. Sein Buch "Kosmische Aspekte von Geburt und Tod" (1956) zeigt Abbildungen von den zwölf Tierkreiszeichen; bei "Widder" steht "Feuer" geschrieben, bei "Stier" steht "Erde" und so weiter. Dieses Modell war das damalige Schema für (theosophische!) Astrologen.
Seit 430 v. Chr. gab es die Einteilung des Tierkreises in zwölf gleich große Abschnitte (12 x 3o Grad). Am Tag der Wintersonnenwende trat die Sonne in den Steinbock; der Steinbock war das Zeichen des neuen Aufstieges der Sonne. Die sechs aufsteigenden Zeichen (Steinbock bis Zwillinge) zeigten die unterschiedlichen Qualitäten der Sonne im aufsteigenden Halbjahr; Krebs bis Schütze zeigten die Qualitäten der Sonne im absteigenden Halbjahr.
Die Reduktion der Zwölfheit auf vier Gruppen von drei Tierkreiszeichen tauchte bei den Griechen erst viel später auf, etwa 50 n. Chr., und zwar für astrologische Zwecke. Widder, Löwe und Schütze bildeten zusammen das erste Trigonon ("Trigonon" ist das griechische Wort für ein gleichseitiges Dreieck); Stier, Jungfrau und Steinbock das zweite Trigonon und so weiter. Es dauerte nochmals gut 500 Jahre, bis die Verknüpfung erstes Trigon = Feuertrigon, zweites Trigon = Erdtrigon und so weiter entstand. Das geschah in Byzanz (Istanbul) etwa 600 n. Chr.
Die Griechen haben Widder, Löwe und Schütze nie als Feuerzeichen bezeichnet. Für sie gehörten die vier Elemente zur sublunaren Sphäre, zu der Sphäre unterhalb der Mondsphäre. Ihre Auffassung von den Elementen war eine dynamische. Jedes Element bestand in der Kombination von zwei primären Qualitäten. Dabei war das Element immer auf dem Weg, sich in ein anderes Element zu verwandeln.
Erde (trocken—kalt) lässt sich transformieren in Wasser (kalt—feucht), in Feuer (warm—trocken) und sogar in Luft (feucht—warm). Diese Sphäre, mit ihrem Entstehen, Ändern und Verschwinden, war eine prinzipiell (!) andere Welt als die Sternenwelt mit ihren großen kreisförmigen Bewegungen von Ost nach West.
Das griechische Wort "Kosmos" bedeutet Ordnung und Schönheit. Am Sternenhimmel herrschten die ewigen Gesetze, die sublunare Sphäre gehörte prinzipiell nicht dazu.
In der arabischen Astrologie war die Zuordnung der Elemente zum Tierkreis sehr wichtig. Die Planeten wurden als Väter, die Elemente als Mütter bezeichnet.
Zur richtigen Zeit wurde mit Amuletten versucht, die Planeten- und Elementargeister anzurufen. Der babylonisch-griechische Ursprung der Namen der Sternbilder als Zeichen der zwölf unterschiedlichen Sonnenwirkungen im Jahreslauf ist im Elemente-Trigonen-Schema verloren gegangen.
Guenther Wachsmuth hatte in seiner Abbildung für die heutige Epoche einen äußeren Kreis mit den Tierkreisbildern in unterschiedlichen Größen (Anfang Fische bei 352 Grad, Anfang Widder bei 28 Grad) hinzugefügt. Im griechischen Sinne gab es keine Trigone (gleichseitigen Dreiecke) mehr. Die byzantinische, arabische Zuordnung war jedoch wieder da: bei Widder, Löwe und Schütze stand Feuer und so weiter.
Durch den Vergleich dieses Modells mit ihren Versuchsergebnissen an Radieschen leuchtete es Maria Thun ein: «Es zeigen sich im Laufe eines Mondumganges vier verschiedene Impulse (Feuer, Erde, Luft, Wasser), die sich dreimal wiederholen.» Eine Korrelation zwischen den vier Wachstumstypen, die sie beim Radieschen entdeckt hatte, mit dem Ort des Mondes vor dem Tierkreis (laut der Tabelle im Sternkalender) führte zur Einführung der sogenannten Samen-, Wurzel-, Blüten- und Blatttage:
«Der [...] Blatttyp trat auf, wenn der Mond bei der Aussaat in Fische, Krebs und Skorpion stand (im folgenden "Blatttage" genannt), der Wurzeltyp bei Mondstand in Stier, Jungfrau und Stein-bock ("Wurzeltage") [...]»
So wurden neue Zeiträume eingeführt. Mond im "wässrigen Trigon" bedeutete von nun an "Blatttage", Mond im "Erdtrigon" bedeutete "Wurzeltage" und so weiter.
Beobachten und Denken sind die beiden Grundsäulen unseres Geistes. Vom Mond sind — nicht nur bei Maria Thun — erstaunlich wenig sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften beschrieben.
"Mond in den Fischen" erscheint im Februar als eine zarte Abendsichel, die nur kurz am Abendhimmel zu sehen ist. Im September erscheint "Mond in den Fischen" ganz anders: Der Vollmond leuchtet die ganze Nacht über. Die zunehmende Sichel geht von Abend zu Abend durchschnittlich fast eine Stunde später unter und bringt immer mehr graues Mondlicht in die Nacht hinein.
Der auffällige Charakterzug vom Mond — seine Lichtphasen zeigen das Verhältnis zur Sonne an — kam bei Maria Thun nicht zum Tragen. Ja, auf der Suche nach kosmischen Wirkungen ist sogar die Sonne übersehen worden.
Die werdende Pflanze wird durch ihre Umgebung beeinflusst, die sich im Tages- und Jahresrhythmus fortwährend verwandelt. Sonne und Pflanze haben nicht nur einen äußeren Bezug. Da bestehen außerdem innere Zusammenhänge: Im Keimen, Grünen, Blühen und Fruchten spiegeln sich gleichsam die Jahreszeiten wieder (Jochen Bockemühl).
Maria Thun hat einzelne Vorstellungen, die auf ganz verschiedenen Wirklichkeitsebenen entstanden waren ("Blatttypus des Radieschens", "Mond im Sternbild Fische" und "Wassertrigon"), miteinander verknüpft, ohne Bezug auf den örtlichen Tages- und Jahreslauf zu nehmen.
Die 14-jährigen Versuche von Hartmut Spieß auf dem Dottenfelderhof (Darmstadt 1994) und unterschiedliche Experimente mit Nahrungspflanzen anderer Forscher haben die Trigonwirkung nicht bestätigen können.
Guenther Wachsmuth und Maria Thun haben sich mit dem Modell "Elemente im Tierkreis" in den Strom der arabischen Astrologie gestellt. Zuordnungen wie "Mond in Fische, Krebs und Skorpion" bedeutet "Blatttage" sind rasch entstanden und nicht mehr hinterfragt worden.
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