Der 13. Monat, ein viertausend Jahre altes Schaltmittel
Der 13. Monat, das große Jahr
Der sogenannte Gersteschnittmonat oder Erntemonat war in den meisten Kalender den 12. oder den 1. Monat des Kalenders. Gerste war das Hauptfütter für die Schafen, wenn sie nicht weiden konnten. Der Gersteschnitt mit einem hohen Ertrag war wichtig. Bei der Namengebung der Monaten hat die bauerliche Arbeit, und die damit verknüpften Ritualen und Festen, in dem Gersteschnittmonat stattgefunden.
Bei den Lokalkalendern aus der Periode vor 2000 v. Chr. konnte es sein, dass im Gersteschnittmonat die Gerste noch am Schiessen war, oder in einer noch früheren Phase, das vegetative Bestocken. Der Mondkalender von 12 Mondmonaten läuft ja nicht in Schritt mit dem Kreislauf der Natur. Wenn der Unterscheid zwischen Mondkalender mit seinen rituellen Festen und agrarischen Monatsnamen und der aktuellen Umgebung, der Entwicklung des Gersten im Sonnerhythmus zu groß war, bekamen die Monate neue Namen.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Enthroned_King_of_Ur.jpg
Da ist ein Unterschied zwischen den Lokalkalendern aus der Periode vor 2000 v. Chr. und den von danach. Ab etwa 2000 v. Chr. wurde das in Schritt Halten vom Mondkalender mit Sonnenjahr gut gehandhabt. Bemerkenswert ist, das war in einer Periode worin noch sehr wenig astronomisch Wissen über die Bewegungen der Sonne, des Mondes und die Sterne war, die Namengebung der 36 Sternbilder fängt ja erst etwa 1200 v. Chr. an.
Die emperischen Fakten waren: Ein Mondjahr von zwölf Mondmonate findet jedes Jahr früher im landwirtschaftlichen Jahr statt. Nach drei Regierungsjahren von 12 Monaten stimmen die Monatsnamen nicht mehr, z.B. die Entwicklung des Gersten auf den Felden lief etwa ein Monat "hinter" auf dem Kalender.
Die Lösung war: Durch am Regierungskalender einen extra Mondmonat hinzufügen bekam die Gerste etwa 30 Tage mehr Zeit um abzureifen. Das jahr wurde zu einem "großen Jahr" und der Gersteschnitt fand im Erntemonat statt. Im 13. Monat waren die normalen Mondmonatsfeier und auch andere rituellen Festen.
Der Schaltmonat war meistens vor dem 12., dem 1. oder vor dem 7. Monat und wurde öfters nach dem vorherigen Monat genannt ("ein zweiter ... "). Der König entschied jedes Vegetationsjahr neu, da war keine feste Reihenfolge zwischen normalen und großen Jahren. Die Frage nach einem Schaltmonat ist gelöscht ohne zu rechnen.
Schon etwa viertausend Jahre her handhabten die Könige in Zweistromland sieben Schaltmonate innerhalb von etwa 19 Regierungsjahren ohne astronomisches Wissen von Mond und Sonne (ihre Himmelsbögen, ihre Aufgangsstelle usw.) Die dahintersteckenden Gesetzen, wie 12 Mondmonate haben etwa 11 Tage weniger als ein Sonnenjahr, waren ihnen nicht bekannt.
Auch heutzutage wird über vieles entschieden ohne Wissen vom Zugrundeliegendes. Was verstehen wir wirklich von Leben und Tod, von der Entwicklung der Pflanzen im Zusammenspiel von Jahreslauf und Standortqualitäten, von den Wirkungen von Kunst, Kultur und Nahrung auf der seelischen und leiblichen Gesundheit usw.?
Dank der Arbeit von Benno Landberger , Walther Sallaberger u.A. über den Kultischen Kalender entsteht ein viel weiteres Bild des ältesten überlieferten astronomisches Wissen als die astronomische Forschung geschafft hat. Die Sprach- und Kulturforscher konnten von den Keilschrifttexten ablesen, dass viertausend Jahre her die Menschen fähig waren ihren Mondkalender Schritt halten zu lassen mit dem Sonnenjahr durch ihre örtlichen Umgebung, wie die Flüße, die Hitze, die Pflanzen auf den Felden, die Tieren usw., zu beobachten.
"Die Existenz von Schaltmonaten beweist ..., daß die Länge der Monate sich nach dem tatsächlichen Mondlauf richtet".
Quelle: Walther Sallaberger "Der kultische Kalender der Ur III-Zeit, Walter de Gruyter 1993.
Direktes Link zu diesem Buch (43 MB)
Walther Sallaberger hat die Kultur der neuen (und letzten) Sumerischen Periode (mittlere Chronologie: 2112 bis 2004 v. Chr.) weitgehend erforscht.
Die Ludwig-Maximilians-Universität München hat viel Publikationen frei zür Verfügung gestellt, siehe die Open access LMU
Was die Menschen und die Wissenschaft von den Köningen lernen kann
Die Könige waren mit den Phänomen des Mondkreislaufes und des landwirtschaftlichen Kreislaufes, des Sonnenjahres, so vertraut, dass sie diese immer wieder neu in der richtigen Beziehung zu einander bringen konnten. Sie konnten das immer wieder neu entstehende Ungleichgewicht ausgleichen.
Neujahrstag zwischen 7. März und 29. April
Jeder König hat seinen eigenen Präferenz um ein Jahr zu einem großen Jahr zu machen. Der "zu frühe" Anfang des Gersteschnittmonates, des Monates "Die Ochsen sind fett" usw. wurde nach einem oder mehreren Jahren korrigiert. Auf Grund der beobachteten Phänomenen der ummittelbaren Umgebung, wurde Neujahrstag einen Monat aufgeschoben.
Der Astronom J. K. Fotheringham hat die Neujahrstage umgerechnet in einem Datum unseres gregorianischen Kalender (1928).
langdon_fotheringham_venus_tablets_ammizaduga_1928.pdf
Die Neujahrstage unter sechs Königen zusammengefasst (S.61-65):
- Neujahrtages eines normales Kalenderjahres: zwischen 18 März und 29. April.
- Neujahrstag eines großen Jahres: zwischen 7. März und 23 April.
- Bei König Hammurapi hatte dieses Neulichttages die weiteste und späteste Zeitspanne: 39 Tage (zwischen 15. März bis 23. April).
- Bei König Ammizaduga war die Zeitspanne 33 Tage (zwischen 8. März und 10 April).
Siehe auch: https://www.staff.science.uu.nl/~gent0113/babylon/babybibl.htm
Ein Schaltkalender für das ganze Land
Ab etwa 2000 v. Chr. hatten vier sumerische Städte in den gleichen Kalenderjahren einen Schaltmonat. Ihr König Amar-Suéna (dritte Dynastie von Ur) hat dies organisiert. Jede Stadtkalender erhielt jedoch die eigenen, recht unterschiedlichen Monatsnamen.
Der altbabylonische König Hammurapi (1792–1750 v. Chr.), der König von Sumer und Akkad, war ein grosser Diplomat, Jurist und Stratege. Sein Gesetzbuch beruhte auf älteren sumerischen Gesetzen und Gewohnheistrecht, stellte jedoch etwas Neues dar. Seine Priester und Schreiber haben die Götter der alten Stadtstaaten zu einem Pantheon vereinigt und der Gott von Babylon, Marduk, wurde zum Schöpfer der Welt erklärt. Auch der Kalender wurde unifiziert. Die babylonischen Monatsnamen wurden im ganzen Reich eingeführt:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Codice_di_hammurabi_03.JPG
Der vor-rechnerische Kalender
Der Mondkalender und der schematische Kalender von 360 Tage wurden nebeneinander gebraucht. Aus den überlieferten Texten lässt sich schliessen, dass die Könige nicht wussten, dass es ein Sonnenjahr 5 Tage länger dauert als der schematische Kalender.
Der rechnerischen Weg zum Schalten hatten sie selber gut machen können. Abstrakt gesehen geht es ja um die Frage wieviel Tage Unterschied ist zwischen
- zwölf Mal den Mondzyklus z.B. zwölf Mal vom Halbmond zum Halbmond (12* synodischer Mondumlauf) und
- dem Sonnenzyklus, z.B. der Sonnengang von tiefsten zum tiefsten Himmelsbogen.
Angeblich sind sie nicht auf dieser Frage gekommen. Solche quantitativen empirischen Fakten sind ja erst viel später (ab etwa 1000 v. Chr) versammelt.
Ohne komplizierte Rechnerei haben die Könige den Mondkalender mit dem landwirtschaftlichen Jahr im Schritt gehalten. Sein Kenntnis der Phänomenen am Himmel brauchte nicht mehr zu sein als das was die Hirten auf den Feldern beobachteten: das Wachsen und Abnehmen des Mondes. Das Rechnen beinhaltete das Addieren bis 13.
Ihr Kalender stammt aus einer Zeit, dass Mond und Sonne als Götter erlebt wurden. Die sumerischen und babylonischen Könige, Priester und Gelehrten hatten viel weniger empirisch Wissen der Himmelsphänomennals als was heute in vielen Büchern behauptet wird. In ihrer Epoche wurde am irdischen Leben die Rechenkunst Schritt nach Schritt entwickelt und nachdem das Auf- und Abziehen, das Multiplizieren und das Teilen am praktischen Leben geübt und erprobt war, konnte es bei der Himmelsbetrachtung eingesetzt werden. Sie entwickelten das algebraische Rechnen meisterhaft und ihre bewundernswerte Fähigkeit mit Zahlenreihen umzugehen (im Jahrtausend v. Chr.) ermöglichte ein grosses Wissen über die langjährigen Rhythmen des Mondes, der Planeten, der Sternen und der Finsternissen.
Dreitausend Jahre her waren die Könige und die Priester jedoch nicht mit den späteren griechischen Definitionen von Sonnesommerwende, Himmelsäquator, Frühlingsäquinoktium, usw. bekannt. Viertausend Jahre her wussten sie von den Mondphänomenen und seine Gesetze relativ so wenig .... und von den Planeten und Sternen war bei noch weniger bekannt. Das große Wissen, wofür die Babylonier und Chaldäer später viel Lob bekammen, entwickelte sich erst viel später, zwischen 800 v. Chr. und 200 v. Chr.
Dies möchte ich hier betonen, da bei der Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra aus der Bronzezeit manchmal vorausgesetzt wird, dass viertausend Jahre her ein geübter Mathematiker und Astronom die Lokalisation der Sichel, Scheibe und Scheibchen mit zeitgenössischen, punktuellen Methoden konstruiert hatte.
Die Menschheit war mal in einer Phase, dass sie die Rechenkunst noch nicht ausreichend beherrschten um ein mehrjähiges Schaltsysstem zu gründen. In dieser prärechnerischen Periode waren sie jedoch durch die Jahrhunderte hindurch fähig, dass der Gerstenschnittmonat in der entsprechenden Phase des Kreislaufes des Jahres war.
Gemeinsame Götterwille und Luni-solar Kalender
Ohne Schaltmonate wurde der Mondkalender während 33 Jahren immer früher im Sonnenjahr stattfinden. Solch ein Kalender ist ein sogenannter Wandeljahrkalender. Nach 33 Jahren wurde der Gersteschnitt aufs neue in dem sogenannten Erntemonat stattfinden, nach 33 Jahren hat der Kalender einen ganzen Jahresrundgang durchwandelt.
In Sumerien war von Anfang an einen am Sonnenjahr "gebundener Kalender", ein sogenanntes "Luni-solar Kalender".
"Ein Lunisolarkalender (lat. luna ‚Mond‘ und sol ‚Sonne‘) oder gebundener Mondkalender enthält wie jeder Lunarkalender
primär 12 Mond-Monate (→Lunation) als Kalender-Monate.
Zur Annäherung an das Sonnen-Jahr (→Tropisches Jahr) wird durchschnittlich
alle drei Jahre ein dreizehnter Mond-Monat eingeschaltet."
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Lunisolarkalender
Die Ägypter, die Mayas und auch die späteren Römer hatten noch sehr lange einen Wandeljahrkalender. Im Zweistromland gab es dagegen relativ sehr früh ein Kalender die aufzufassen ist als eine ausgeglichene Intergration von den zwei unterschiedlichen Kalendereinheiten "29 oder 30 Tage des Monates" und "Anfang des neuen landwirtschaftlichen Jahres".
Solch eine höhere Ordnung entspricht ihr inneres Suchen, ihr religiöses Empfinden. In ihren Mythen suchen die Götter für wichtige Angelegenheiten aneinander auf um eine gemeinsam getragenen Entscheidung hervorzubringen. Jeder Gott, jede Göttin hatte andere Begabungen und Wirkkräfte. Es brauchte jeweils ein Gespräch um eine gemeinsame Wille zu finden. Der Widerspruch göttlicher Forderungen verlangt nach einem Ausgleich. Aus den unterschiedlichen Meinungen entstand etwas Neues, das jede(r) der Versammlung bejahen konnte. Der Kalender ist wie ein Abbild ihrer Götterversammlung, ihrer Religion.
S. Maul charakterisiert den damalige Entwicklungsweg mit "These, Antithese, Synthese." Für einen heilsamen Zukunft braucht es, dass gegenübergestellte Willensrichtungen mit einander in Gespräch kommen. Die Mythen zeigen auch, wie das Böse das Gute hervorbringen kann, wenn es auf richtiger Art bekämpft wird. Siehe z.B.
S. Maul: "Himmelfahrt und Abstieg in die Unterwelt - altorientalische Mythen von Jenseitsreisen", 2009
S. Maul: "Die Wissenschaft von der Zukunft. Überlegungen zur Bedeutung der Divination im Alten Orient", 2011
Der gebundene Kalender, der Luni-solarkalender zeigt Ähnliches: Es ist keinen reinen Mondkalender, keinen Sonnenjahrkalender, sondern einen intergrierten Kalender. Ihr Kalender ist Ausdruck der "Versammlung des Mondes- und Sonnengottes". Die Wille des Mondesgottes Sin wurde am Himmel abgelesen, die Wille des Sonnengottes Schamasch an den Verwandlungen im Jahreslauf. Der Kalender schöpft eine neue Verbindung zwischen Himmel und Erde.
Die Könige-Priester, vertraut mit den weisheitsvollen Mythen, integrierten die Rhythmen von Schamasch und Sin, das landwirtschaftlichen Jahr und die ritualen Feierlichkeiten schon viertausend Jahre her zu ein höher geordnetes Rhythmus
Quelle https://mainzerbeobachter.com/2020/04/19/een-herontdekte-zonnegod/
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