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Die sieben Planetensphären und das «dreigliedrige Weltbild» von Ptolemäus.
Um die Erde (dunkelgrün) erstrecken sich
Mondsphäre (violett), Merkursphäre (gelb), Venussphäre (grün),
Sonnensphäre (weiss und gold),
Marssphäre (rot), Jupitersphäre (orange) und Saturnsphäre (blau).

ÜBER DIE SOGENANNTE VERTAUSCHUNG
VON MERKUR UND VENUS

Georg Unger 1979

Studenten des Werkes Rudolf Steiners begegnen häufig einer gewissen Schwierigkeit, wenn - vor allem in Zitaten oder mündlicher Wiedergabe - von einer 'Vertauschung von Merkur und Venus" gesprochen wird.

Man hört allerlei sonderbare Urteile: Die Planeten hätten ihren Platz getauscht beim Übergang vom ptolemäischen zum kopernikanischen System. Oder: In alter Zeit seien die Pla­neten umgekehrt bezeichnet gewesen, sodass wenn man heute die leuchtende Venus am späteren Abend sieht, man sich sagen müsse, das sei "eigentlich" der Merkur. Dazwischen gibt es mancherlei Abstufungen der Aussage.

Ich möchte im Folgenden die hauptsächliche Quelle bei Rudolf Steiner erörtern und daran einige Überlegungen knüpfen von denen ich hoffe, dass sie geeignet sind Klarheit in diese Frage zu bringen.

Im Zyklus über die Apokalypse (1908) wird davon gesprochen, dass nach dem Mysterium von Golgatha in den Mysterien be­schlossen wurde, eine bestimmte okkulte Wahrheit zu verhül­len. Man bediente sich zu solchen Zwecken einer "Maske". Im vorliegenden Fall habe man zum groben Auskunftsmittel ge­griffen, die Namen von Merkur und Venus zu vertauschen. Es werde damit ein "kleineres okkultes Ge­heimnis" enthüllt.

- Viele Jahre später, in den Vorträgen "Die Mysterien des Mittelalters (Januar 1924) kommt Steiner erneut auf diese Sache zurück und schildert wie im frühen und echten Rosenkreuzertum das Heraufkommen des Kopernikanismus gesehen wurde zusammen mit der Gefahr, dass man die schon immer okkult bekannte zentrale Stellung der Sonne ver­kennen werde.

Es wird dies in Zusammenhang gebracht mit der Stimmung: Der große Sonnengeist ist im Christusereignis zur Erde gekommen. Die äußere Sonne wird empfunden als der "unrechtmäßige Fürst der Welt". Es wird ausgeführt, dass im Götterplan eigentlich die Erde das geistige Zentrum des Son­nensystems sein sollte, dass aber infolge der Abirrung des Menschengeschlechtes eine gewissermaßen "falsche Tatsache" geschaffen werden musste: Die Sonne als physisches Zentrum des Planetensystems.

Diese gefährliche Wahrheit kannte man in den Mysterien und behütete sie dort. Als die Zeit heran­kam, dass die Wissenschaft diese Seite der Sache erkennen werde, sei als eine Art Schutz in einer bestimmten Literatur der geistige Zusammenhang verhüllt worden.

So weit die beiden wichtigsten Stellen! Alle anderen, mir be­kannten Zitate weisen in mehr oder weniger abgekürzter Form auf die Sachverhalte hin:

1. Alte Mysterien kannten die physische Zentralstellung der Sonne.

2. In der Namensgebung ist um oder nach dem Mysterium von Golgatha eine Vertauschung geschehen.

3. Außerdem haben die Planeten in den - gedanklichen! - Weltsystemen ja auch ihren Platz vertauscht.


Ich beginne mit dem dritten Punkt: In der Tat war das pto­lemäische Weltsystem so angeordnet, dass die Reihenfolge der traditionellen Planeten von der Erde aus so ist: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn.

Der exoterisch bekannte Grund ist, dass diese Reihenfolge die der Geschwindigkeiten ist, mit welchen sich die genannten Himmelskörper vor dem Fixsternhintergrund bewegen.

Der spi­rituelle Grund ist, dass dieselbe Reihenfolge geistig er­lebt wird, als die der Sphären, welche die Wohnsitze der Hierarchien oder der Götter sind. Zugleich war noch eine dunkle Erinnerung vorhanden, dass die Seele nach dem Tod in der genannten Reihenfolge durch die Planetensphären sich ausdehnt oder anders gesagt, hindurchgeht.

Ich setze das ptolemäische System der Epizykeln voraus. Dann kam: man den Übergang zum kopernikanischen System folgendermaßen, wenn auch sehr vergröbert, plausibel machen.

Man zeichnet das Schema der ptolemäischen Sphären an, und dann nimmt man Erde plus Mond aus dem Zentrum und setzt sie da, wo die Sonne bei Ptolemäus ist, und setzt diese in das Zentrum. Jetzt kreisen Merkur und Venus um die Sonne und ersetzen die ptolemäischen Epizykeln. Ebenso ersetzt jetzt die Erdbahn die Epizykeln von Mars, Jupiter und Saturn, die ja schon bei Ptolemäus mit gleicher Geschwindigkeit durchlaufen wurden. - Genau besehen, ist das Ganze nur ein Kunstgriff, der ein Resultat vorwegnimmt, welches sich allerdings durch genauere geometrische Betrachtung begründen lässt, in dem Sinne: Die beiden Weltsysteme sind geometrisch gleichwertig.

Wenn Steiner an einer Stelle sagt, man habe Venus und Merkur herumwirbeln lassen, so dürfte er auf diesen vielleicht von Rheticus stammenden Kunstgriff anspielen. Wie gesagt, es handelt sich um eine Platzvertauschung relativ zur Sonne in gedachten Modellen.


Nun zum zweiten Punkt: Wenn in einer gewissen Literatur zum Schutz oder als Maske die Namensvertauschung vorgenommen wurde, so hat dies natürlich keine rückwirkende Folge auf frühere Zeiten. Damit besteht kein Widerspruch zwischen einer solchen okkulten Vertauschung der Namengebung und deren exoterisch gesicherten fortlaufenden Identität der heutigen Venus mit der, z.B. bei den Babyloniern Istar genannten Göttin und ihres Planeten. Die äußeren Dokumente in Gestalt von Tontafeln mit Umlaufszeiten (der heutigen Venus) und Namen lassen keinen Zweifel. Ähnliches für Merkur. Kurz:

Die eigentliche Namensvertauschung kann auch nur für eine spätere Literatur gelten. Es ist zu vermuten: Die frühe rosenkreuzerisch-alchimistische.


Das bisher Ausgeführte steht im Einklang damit, dass auch die alten Mysterien die "zwei Arten von Räumen" kannten; jenen, den wir den heutigen physikalischen Raum nennen und jenen anderen, den wir heute den Ort der Geist-Sphären nennen würden.

Dem neuzeitlichen Physiker bereitet es keine Schwierigkeiten, verschiedene Räume simultan zu denken, lose gesagt: Am selben Ort. So erklärt sich auch, warum das okkulte Geheimnis der zen­tralen Stellung der Sonne im physischen Raum "gefährlich" war.

Nicht nur das Verkennen dieser äußeren Mittelpunktstellung als einer wahrhaft geistig bedeutsamen (wir erin­nern uns: "falschen Tatsache"), sondern es mochte doch auch Konsequenzen haben, wenn man sich klarmacht, dass der phy­sische Planet Venus (so würden wir heute sagen) oder wenig­stens die Marke an der heliozentrischen Venussphäre eine Be­wegung beschreibt, welche gewissermaßen die Geist-Sphären von Venus, Sonne, Merkur durchläuft. Ein solches Wissen könnte zur besonderen Bestimmung wirksamer Konstellationen, z.B. für eine medizinische Kupferanwendung wichtig sein. In falschen Händen könnte wohl auch Missbrauch geschehen.


So scheinen alle Aspekte der zeitlich weit auseinanderliegenden Angaben Steiners im besten Einklang. Aber die bis jetzt nicht im Einzelnen angeführten Bemerkungen in den Vorträgen kurz nach 1908 sprechen davon, man habe um diese Vertauschung "in allen Mysterien gewusst". - Es wird dies auch als Grund angeführt dafür, dass die heutigen Namen der Planeten "falsch" seien.

- Ich meine dagegen, dass sich diese Stellen nur darauf beziehen, dass man in den vorchristlichen Mysterien auch um die "widerrechtliche oder falsche" Stellung der Sonne als physisches Zentrum wusste.

Wenn noch weitere Zweifel bestehen, welches die genaue Be­deutung solcher Stellen sei, so darf auch daran gedacht werden, dass zwischen 1908 und 1924 die okkulte Forschung Steiners selbst fortgeschritten ist, und dass die spätere Angabe als Präzisierung des früher Gesagten gelten darf.

Damit meine ich, die Frage der "Vertauschung" weitgehend ihres rätselvollen Charakters entkleidet zu haben.

Quelle Georg Unger

MATHEMATISCH -PHYSIKALISCHE KORRESPONDENZ

unter Berücksichtigung angrenzender Gebiete wie
Biophysik, Pädagogik, Kybernetik

herausgegeben von G. Unger, CH 4143 Dornach
Nr. 114 - Weihnachten 1979

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