Das Neulicht - der Anfang des neuen Monats
Das beobachtete Neulicht
Fotograf: Andreas Vogl Quelle: https://www.spektrum.de/alias/wunder-des-weltalls/liegende-mondsichel/1143246
In vielen alten Kulturen war der Abend, an dem eine zarte Abendsichel nach Sonnenuntergang tief im Westen erwartet wurde, ein spezieller Abend. Da wurde Ausschau gehalten in der Abenddämmerung und öfters war es eine offene Frage ob das Erwartete stattfinden wird. Vielleicht war die Sichel schon hinter den Bergen gesunken, wenn der westliche Himmel nicht mehr so intensiv leuchtete und die sehr zarte Sichel sichtbar werden konnte. Dann hat man zum nächsten Abend zu warten.
Das erste Erscheinen des zunehmenden Mondes (das sog. Neulicht) war der Anfang des neuen Monates. Das selber Gewahrwerden des Heimkehrs des Mondgottes verstärkt das Erleben, dass ein neuer Monat angefangen hat.
Der neue Tag begann nach Sonnenuntergang während der Dämmerung und entsprechend hatten alle Tage ihren Anfang bei Anbruch der Dunkelheit.
Bei Neulicht kehrte der Mondgott aus der Unterwelt züruck. "Er trat in sein Haus ein". Am nächsten Abend wird die fast liegende Sichel viel höher am westlichen Himmel sichtbar. Am Anfang der Dämmerung leuchtet der "Schiff" etwa in der gleichen Himmelrichtung viel höher auf. In Länder nah am Aquator sieht es aus wie der Schiff von Abend zum Abend am westlichen Himmel empor fährt.
Die Sichel sieht jeden Abend größer aus, auch an den Phasen des Mondes lassen sich die Tage zählen. Am 6. oder 7. Abend ist der zunehmende Mond so weit gewachsen, dass die Sichel kein Hörner mehr hat. Der Halbmond befindet sich bei Sonnenuntergang ganz hoch am Himmel. Der Mondgott ist auf seinem Himmelsbarke zur Mitte des Himmel empor gefahren.
Der zunehmende Mond erscheint nur an einem Abend als Halbmond. Vom Halbmond bis zum nächsten zunehmenden Halbmond dauert es meistens 29 oder 30 Tage, öfters wechseln diese Zeitspanne sich ab.
Bemerken Sie den Unterschied: ab der ersten Abendsichel wurden die Tage gezählt, also nicht ab dem Tag worauf der Mond unsichtbar ist und in Konjunktion zur Sonne tritt (das sog. Neumond).
Von Neulicht bis Neulicht dauert es meistens 29 oder 30 Tage. Die "Tagesangabe" der darauffolgenden Abenden-Nächten-Tagen lautete "Seit dem Monatsanfang sind x Tage aufgeleuchtet".
Bei Regen und Sandstürmen kann am 29. und 30. Abend der zunehmende Mond nicht sichtbar werden. Der Monat dauerte jedoch nicht länger als 30 Tage. Am nächsten Abend wurde mit dem 1. Tag des neuen Monats angefangen. Man könnte sagen, die Schwachstelle des Kalenders, die Abhänglichkeit vom Wetter, wurde vernünftig korrigiert. Immer wieder erscheint am 7. Tag kein Halbmond, der Kalender läuft jedoch im Ganzen gut, ist in modernen Sinne "Zukunftbeständig".
Der Name INBU bedeutet Mond, Herr des Monats und auch Monats-erst. Wenn das Neulicht sichtbar wurde, opferte der König "... eine hellfarbige Gazelle dem Mond(gotte). Der König soll sich waschen, mit Myrtenöl salben ...". Oder er brachte die Opfergabe am nächsten Morgen, dann ist auch am ersten Tag des Monates.
Das ursprüngliche Ideogramm (Schriftzeichen) für Monat ist UD "Licht" + "Eingang".
An den Göttern Anu und Enlil, die an der Spitze des Pantheons stehen, gehörten sowohl der erste Tag des Monats als auch der erste Monat des Jahres zu.
Quelle: Benno Landsberger "Der Kultische Kalender der Babylonier und Assyrer, erste Hälfte, Leipzig 1915 (S. 106)
Der Mondgott NANNA(R), Suen, Sin
Der Mondgott in seinem Schiff
Quelle: Moon, Rain, Womb, Mercy The Imagery of The Shrine Model from Tell el-Far‛ah North—Biblical Tirzah For
"Auf sumerisch hiess der Mondgott NANNA(R), im Akkadischen Suen und später im Babylonischen bzw. Assyrischen Sin. ... Im 3. Jahrtausend v. Chr. kommt eine Szene immer wieder auf Rollsiegelbildern vor: ein Gott mit Hörnerkrone, dem Symbol der Göttlichkeit, sitzt in einem mondsichelförmigen Boot."
Quelle: Der Mondgott Nanna-Sin, http://www.mesopotamien.de/einfuehrung/nanna.htm
Sumerischer Mondgott Nannar, 2000 v. Chr.
Quelle: http://www.mesopotamiangods.com/nannar-nanna-sin-suen-acimbabbar-el-overview/
Ein Gott rechts und König Ur-nammu von Ur (Regierungsjahren (2097-2080 v. Chr.). Der König bewässert den Baum des Lebens reichlich (2097-2080 v. Chr.)
Quelle: http://www.mesopotamiangods.com/wp-content/uploads/2014/08/2l-Nannar-Ninsuns-son-King-Ur-Nammu.jpg
Nach andern Auffassung ist es nicht der Mondgott, sondern sein Vater Enlil der an dem König die Bauwerkzeuge gibt.
Quelle: http://sumerianshakespeare.com/23501.html
Eine Überschau der Götterdynastie bietet: https://en.wikipedia.org/wiki/Ningal
Das gleiche Geschehen. Ist er der Vater oder der Sohn? Die Erscheinungsformen des Mondgottes waren vielfältig und wechselten im Laufe der Zeit, wie diejenigen des Mondes.
https://historiasdelahistoria.com/2015/05/19/ennirgalanna-la-mujer-que-nos-dio-un-zigurat
Die drei Mondfeiertage
Das Neulichtfeier war der erste der drie Mondfeiertagen. Auch am 7. Tag (etwa bei ersten Viertel) und am 15. Tag (etwa bei Vollmond) waren die Mondfeiertage. Vom Mondkalender hängen die andern Feste ab. Der monatlich wiederkehrende Tageskult war das "Rückgrat" des kultischen Lebens.
Der Kult an den Mondfeiertagen gilt den lokalen Hauptgöttern, häufig die verstorbene Regenten oder der vergöttlichte König. Die Mondphasen sind die Auslöser eines kultischen Zyklus.
Quelle: Walther Sallaberger "Der kultische Kalender der Ur III-Zeit, Walter de Gruyter 1993.
Direktes Link zu diesem Buch (43 MB):
Walther Sallaberger hat die Kultur der neuen (und letzten) Sumerischen Periode (mittlere Chronologie: 2112 bis 2004 v. Chr.) weitgehend erforscht.
Die Ludwig-Maximilians-Universität München hat in Open access LMU viel seiner Publikationen frei zür Verfügung gestellt.
Die Mondfesten wurden jeden Monat in der gleichen Reihefolge gehalten: sechs Tage nach dem ersten Mondfeiertag war der zweite, acht Tage danach war der dritte. Das Vollmondfeier war 14 Abende nach dem Erscheinen des Neulichtes. Meistens sah de Mond schon einige Nächte vorher ganz rund aus.
Nach Vollmond gab es viele anderen Feiertage, jedoch keine Mondfeiertage mehr. Beim nächsten Neulicht fang ein neuer Zyklus an.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uruk_King_priest_feeding_the_sacred_herd.jpg
Wann verschwindet der Mondgott Sin in die Unterwelt?
"Alle Welt wärmt sich im breiten Licht der Sonne,
und doch beobachten sie den Mondaufgang
- wieviel er abgenommen habe!"
Quelle: Andrew R. George u. Farouk N.H. al-Rawi, Tablets from the Sippar library, VII. Three wisdom texts, in: Iraq 60, 1998, S. 204 f., S.18 f.
Aus Walther Sallaberger (2002): Zeiteinteilung und Zeitvorstellungen im Alten Mesopotamien. https://epub.ub.uni-muenchen.de/41677/
Der Mondgott Sin ist der Vater des Sonnengottes Schamasch. In der Sumerischen Mythologie geht der Sonnengott jeden Abend in die Unterwelt, der Mondgott zieht am Ende des Monates dahin um zu ruhen. Wenn Sin in der Unterwelt weilt, wurden Klageliedern gesungen, begleitet mit der Harfe, und wurde als kultische Reinigung gebadet.
In der Periode nach Vollmond geht der Mond in der Nacht auf und steht bei Sonnenaufgang am Himmel. Der abnehmende Mond geht jeden Nacht später auf und steht während der Morgendämmerung näher zur aufgehenden Sonne. Am Ende der Sichtbarkeitsperiode geht die Mondsichel am Ende der Nacht auf. Die Sichel sieht von Morgen zu Morgen schmaler aus. Die zarte Morgensichel hat seinen Aufgang in der Morgenröte und verblasst im Licht der aufgehenden Sonne.
"Tag an dem der Mond sich des Schlafen legt" oder "Tag des Verschwindens" war die Name für das Morgenletzt, die zarte Sichel am östlichen Himmel in der Morgenröte. "Tag des Verschwundenseins" war die Name für die erste mondlose Nacht, meistens am 28., 29. oder 30. Tag des Monats.
Beobachtung an Horizontphänomenen
in Übergangszeiten
Wann "der neue Mond in sein Haus trat" wurde beobachtet. Dies fördert einige Aufmerksamkeit, man hat auf dem richtigen Moment nach Sonnenuntergang zu schauen, gerade dort wo der Himmel am längsten hell bleibt. Keiner kann im voraus wissen, was der richtige Zeitpunkt ist. Es braucht eigene Initiative um länger zu schauen ohne die Sichel zu finden und auch um für heute aufzuhören, zu warten auf morgenabend.
In mythologischen Texten bleibt der Mondgott drei Tage und drei Nächte in der Unterwelt. Das zarte Neulicht kann jedoch auch schon einen Tag früher als erwartet in der Abendglut kurz in Erscheinung treten. Die Zeitspanne zwischen Morgenletzt und Abenderst kann ja kürzer sein als die Durschnittperiode von 2-3 Tage.
Ob die zarte Abendsichel - nah an der Sonne und nah zum westlichen Horizont - kurz beobachtet werden kann, wird ja durch eine ganze Reihe von Faktoren bedingt. Die Sichtbarkeit hängt ja von der Flachheit der Landschaft, vom Wetter und eventuellen Sandstürmen und Vulkanausbrüche ab. (Das Neulicht erscheint in einer Großstadt bei einer höheren Grad an Luftverschmutzung öfters ein Tag oder sogar zwei Tage später als auf dem Lande). In Nord-Mesopotamien kann der Mondgott sowohl länger wie kürzer unsichtbar bleiben als in Sumerien.
Der Mond bewegt sich viel variabler als die Durchschnittswerte (mit 5 Ziffern hinter dem Komma) vermuten lassen. Viele ihrer Bewegungsgesetzmässigkeiten waren 1000 v. Chr. unbekannt.
Das früher oder später Erscheinen des Neulichtes hängt auch von der höhere oder tiefere Lage des Tierkreises ab. Der Mond kann an der Sonne 5 Grad nördlicher vorbeiziehen, was die Zeitspanne zwischen Morgenletzt und Abenderst mit einem Tag verkürzen kann. Zieht der Mond dagegen an der Sonne 5 Grad südlicher vorbei, so kann er zwischen Morgenletzt und Abenderst mehrere Tage länger unsichtbar bleiben. Wieviel länger hängt auch von Monat im Jahreslauf ab.
Was dreitausende Jahre her noch kein Wissen war: Wenn der unsichtbare Mond relativ weit von der Erde ist (Mond in Apogäum), dauert die Schwarzmondphase extra lange. Der Mond braucht in Apogäum mehr Zeit um an der Sonne vorbeizuziehen als wenn er relativ nah ander Erde ist (Mond in Perigäum).
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